HGfW

Projekthaus Hamburg
Hanseatische Gesellschaft für Wasserfarbenmalerei.

von Hajo Schiff:


Ladies und Gentlemen,
ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft,
geschätzte Connaisseurs und Gäste,

Es ist mir hehre Pflicht und große Freude, heute und hier die Ausstellung der Hanseatischen Gesellschaft für Wasserfarbenmalerei mit einigen Worten eröffnen zu dürfen. Möge auch auf die ja noch junge Hamburger Gesellschaft in ihrem dritten Jahr ein Teil jenes Glanzes fallen, den einst Königin Victoria der „Society of Painters in Water Colours“ gnädig gewährte und per Royal Charter die immerhin schon 1805 gegründete Gesellschaft zur bis heute würdig in der Bankside Gallery aktiven „Royal Watercolour Society“ erhob. Gleich neben der Tate Modern tradiert diese educational charity die ernsthafte Auseinandersetzung mit einem manchmal leider etwas unterschätzen Medium, das ja so viel mehr sein kann, als hobbymäßiges Gepinsel, mit dem die Gartenliebhaberin ihre Sonnenblumen gefühlvoll aufs Paper impressioniert.

Ja, Ladies und Gentlemen, falls Sie hier in unserer Ausstellung ihren Augen nicht trauen oder ohnehin meine bescheidene Kompetenz in dieser Sache zu recht bezweifeln, lassen wir uns doch – trotz der schon in der Einladungskarte bewusst zitierten Farben der Hamburger Corporate Idendity – oder vielleicht gerade wegen der Kombination von blau und Rot – von einer Auswahl der Themen der Veranstaltungen der „Royal Watercolour Society“ an der Themse eine Idee geben, wie umfangreich das Gebiet der Wasserfarben ist: Alle im Folgenden zitierten Seminarthemen werden allein im ersten Quartal dieses Jahres behandelt.

Zurzeit läuft der Kurs: „Abstracting the Landscape“. Es scheint um etwas zu gehen, was mit Wasserfarben immer schon gemacht wurde, jene leicht und schnell überall, besonders auch auf Reisen verfügbare Technik, in einer Skizze die Farb-Stimmung zu notieren. Sie mögen das hier bei Ralf Jurszo finden, auch wenn bei einem eher konzeptuellen Künstler der tradierte Begriff der Landschaft nicht unvergiftet zu haben ist: In diesem Fall sind dessen fremdartige Ansichten gleich mehrfach abstrakt, gehen sie doch auf die doppelte mediale Brechung zurück, die das Übertragen eines Landschafts-Abbilds einer fernen Region durch dort positionierte Internet- Web-Cameras bedeutet. 

Solche aktuelle Form der Beobachtung führt uns zum nächsten Londoner Thema: „Observation: Light, Weather and Forms” mit, naheliegend,.besonderem Gewicht auf jenen Kunstaspekten that were thought of as ’natural philosophy‘ – that is, the accurate visual recording of natural phenomena; light, meteorological change, geographical data and, in Turner’s case, geological structure.

Das erinnert uns daran, dass Wasserfarbe seit Jahrhunderten, angefangen bei Dürer, auch ein Mittel der wissenschaftlichen Erfassung und Abbildung der Dinge der Welt war – Sie mögen hier bei Gisbert Langes Meerestieren ein Echo davon vorfinden. Und auch bei den organischen Architekturen von Manfred Eichhorn – allerdings mit dem Unterschied, dass seine „Manfrakope“ paradoxer Weise noch nie gesehene Strukturen abbbilden, dass sie künstlerisch vorauseilend bis dato Ungesehenes sichtbar machen.t.

Einen ganz anderen Aspekt spricht die „Royal Watercolour Society“ an, wenn es heißt: „From Sketchbook to Studio“: Es ist das Spontane, das Vorläufige, das Entwurfshafte, eben skizzenhafte für das sich unser Medium so gut eignet. Martin Conrad drückt es so aus: „Ich benutze das Aquarell, um schnell in die Bildwelt zu kommen“. Dieses Element des Skizzenhaften ist dann auch der Aspekt, unter dem eine Künstlerin wie Antje Bromma ihre kleinen Fundstück–Collagen hier zeigen kann: Nicht, weil die auch teilweise bemalt sind, sondern weil sie das Beiläufige, das Notizenhafte mit der Wasserfarbenmalerei verbindet. Und als Bild-Notizen muss man auch die Art verstehen, in der Gunnar F. Gerlach die Wasserfarben seinen Bedeutungsraum-Collagen aus Foto – und Textzitaten hinzufügt. 

Hat hier die „Hanseatische Gesellschaft für Wasserfarbenmalerei“ bei diesen beiden bewusst die Grenzen ihres Genres erweitert, so ist ja allein schon der Begriff „Wasserfarbe“ nicht fest umrissen: Es gibt mehr als das Aquarell: Tuschen gehören unbedingt dazu und genaugenommen alles Wasserlösliche von der Gouache bis hin zur so ganz andern Acryl-Malerei. Selbst Tintenstrahl-Kopien oder Ausdrucke via Computer können dazugerechnet werden, zumal wenn sie wässrig überformt werden, wie der Berliner Michael Behn es macht. Folgerichtig heißt der Kurs der englischen Muttergesellschaft, der sich damit befasst schlicht: „Working with Pigments”. 

Eine wesentliche Qualität von Wasserfarben sind ihre Leichtigkeit und ihre Fähigkeit zur Transparenz. Dazu wieder ein Kurstitel aus Großbritannien: „The Joys of Working Wet on Wet“. Diese Freuden werden sie auch hier überall finden, insbesondere bei den schwebeleichten Fleckenbildern über das Wasser in Hamburg von Günter Rost, aber selbst bei den politischen Porträts von Katharina Kohl, ja – ohne diese Freuden in der künstlerischen Ausführung wäre ihre mühevolle Forschung zum Umfeld der Rechtsterrorgruppe NSU vermutlich gar nicht auszuhalten..

Ladies und Gentlemen, die Veranstaltungs-Titel der „Royal Watercolour Society“ retten mir heute abend meine Rede. Denn es ist ja gar nicht so einfach, 12 Künstlerinnen und Künstlern mit letztlich wenigen Worten gerecht zu werden. Also nun noch dies: „Constructing Spaces in Watercolour” – bitte denken sie hierzu an Jaakov Blumas, dem aber auch das Papier als Farbträger dabei hilft, dass hier die Wasserfarbe zu undefinierbaren, wenn auch aus geometrisch elementaren Formen abgeleiteten Wandobjekten führt. Und dann hab ich den noch: „Textures in Watercolour“ – bitte beachten sie dazu die Raster-Arbeiten von Sylvia Schultes..

Nun aber genug damit. 

Vielleicht noch etwas zum Verhältnis der Wasserfarbenmalerei zur großen Malerei in Öl. Aus deren Schatten hervorzutreten scheint heute einfacher, als zu Gründungszeiten der Wasserfarbengesellschaften im 19. Jahrhundert – ein bisschen ist ja das Verständnis für leichte und skizzenhafte Kunst mit der Zeit dann doch gewachsen. Und so können auch sonst das große Format bevorzugende Maler sich ohne Probleme darauf einlassen, also beispielsweise der sonst raumgreifende Jaakov Blumas, der Zeichnung und Malerei überlagernd schichtende Martin Conrad oder Gustav Kluge, eigentlich ein Vertreter schwerer Malerei, der das aus der pastosen Farbe tretende Figürliche nie aufgegeben hat. Das jemand wie Gustav Kluge, Mitbegründer der Produzentengalerie, Professor erst in Hamburg und nun Karlsruhe, sogar Edwin-Scharff-Preisträger, auch hier im Kreis der „Hanseatischen Gesellschaft für Wasserfarbenmalerei“ zu finden ist, zeigt, wie sich auf der Basis einer gemeinsamen Material-Sprache sehr unterschiedliche Künstler finden können, selbst dann, wenn sie ihre großen Arbeiten nicht unbedingt zusammen präsentieren würden.

Wie die Mehrzahl der Mitglieder der „Hanseatischen Gesellschaft für Wasserfarbenmalerei“ schätzt Günter Rost an dieser so alten Kunst-Technik, dass man schnell notieren kann, was einem so zufliegt, wie er sagt. Und dass das Medium erlaubt, auch kleiner zu sein, denn schließlich könne es heute ja auch gefährlich sein, noch zu sehr Maler sein zu wollen. Da wird der große Streit um den Wert und den Sinn der Malerei ahnbar, der schon seit Ende der Sechziger Jahre zwischen den Professoren der zahlreichen Akademien hinund hergeht, aber das kleinere Format und die Wasserfarben kaum betrifft: Gerade die großen Feinde der Malerei unter den berühmten Künstlern, denken Sie nur an Joseph Beuys oder Franz Erhard Walther und ähnliche Theorirfreunde: Die sind, bei weitgehender Malereiabstinenz, meist ganz exzellente Zeichner und Aquarellisten.

Aber ehe ich nun in die Weiten der Kunsttheorie abschweife … Lassen Sie mich am Schluss meiner Rede noch einmal auf die „Royal Watercolour Society“ und ihre Kurse zurückkommen: Da gibt es nämlich auch das Seminar „A Passionate Collector“. Denn das gehört eben auch ganz wesentlich dazu. Die hier gezeigten Arbeiten – übrigens gibt es im Treppenhaus auch noch mehr – sind ja nicht nur zur Freude und zur Erkenntnisförderung da, es reicht auch nicht, dass die befreundeten Mitglieder der „Hanseatischen Gesellschaft für Wasserfarbenmalerei“ sie vielleicht untereinander tauschen 

Sie können diese auch käuflich erwerben.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
Ladies and Gentlemen: Enjoy!